Mit Wind und Beton Energie sparen

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Themenbild(c) Clemens Fabry
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Lässt sich Windenergie auch nutzen, wenn einmal Flaute herrscht? Im Weinviertel entstand ein Einfamilienhaus als Prototyp. In den nächsten zwei Jahren überprüfen Forscher, wie viel Kosten sich so sparen lassen.

Der Geschäftsführer der Energie- und Umweltagentur Niederösterreich Herbert Greisberger ist ganz ehrlich: „Wir haben hier nichts gemacht“, sagt er beim Feldfest für den Prototyp „Einfamilienhaus H“ im Weinviertel. Auch die EVN habe es abgelehnt, das Projekt zu fördern. In Zukunft solle das anders werden. Niederösterreich habe das Ziel, Windenergie zur Stromversorgung zu nutzen. Das mit Windkraft versorgte Passivhaus in Göllersdorf gibt es durch die Eigeninitiative ihres Bauunternehmers und zweier Bauherren. Neu ist, dass die Überschussenergie der Windkraftanlagen durch die Wärmespeicherfähigkeit des Betons auch genutzt werden kann, wenn der Wind gerade nicht weht.

Die nötigen Forschungsarbeiten bezahlte die österreichische Zementindustrie. Das Infrastrukturministerium klinkte sich erst spät in das Projekt ein; denn Einfamilienhäuser werden eigentlich nicht gefördert, um Zersiedelung zu verhindern. In einem vom Forschungsprogramm „Stadt der Zukunft“ geförderten, zweijährigen Monitoringprozess wird überprüft, ob Beton und Wind halten, was die Forscher versprechen: niedrige Energiekosten nämlich.

Betondecke als Heizkörper

„Die Speicherung alternativer Überschussenergie war bisher ein hoher Kostenfaktor“, erklärt Projektleiter Felix Friembichler. Bei der in diesem Haus eingesetzten Speichertechnologie fallen keine zusätzlichen Infrastrukturkosten an. „Denn die Betondecken des Passivhauses sind thermisch aktiviert. Das bedeutet, dass Rohrregister in die Decken einbetoniert wurden, die eine von einer Wärmepumpe temperierte Flüssigkeit durchströmt. Dadurch wird die Decke im Winter erwärmt und übernimmt so die Funktion eines Heizkörpers.

Aufgrund der großen Deckenflächen genügen bereits niedrige Heizmitteltemperaturen. Selbst im Winter liegt die Temperatur der Heizflüssigkeit bei etwa 30Grad. Im Gegensatz dazu werden in herkömmlichen Heizkörpern sehr viel höhere Heizmitteltemperaturen benötig, weil Wärme nur von einer kleinen Fläche abgegeben wird. Mit derselben Methode können Räume auch gekühlt werden, indem die Flüssigkeit in den Rohrregistern auf niedriger Temperatur gehalten und dem Gebäude so Wärme entzogen wird. Im Einfamilienhaus H ist derzeit keine Kühlung vorgesehen.

Bauphysiker Klaus Krec von der Arbeitsgruppe Nachhaltiges Bauen der TU Wien, der eine Studie für die österreichische Zementwirtschaft erarbeitet hat, bezweifelt, dass langfristig auf ein Kühlsystem verzichtet werden kann. „In den vergangenen 30Jahren hat sich die Durchschnittstemperatur im Hochsommer in Österreich bereits um ein Grad erhöht“, erklärt er. „Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Wir werden deshalb einen höheren Bedarf an Kühltechnik bekommen.“

Als Spezialist für den Einsatz alternativer Energien hat Harald Kuster aus Salzburg die Projektplanung übernommen. „Durch die Speicherung der Wärme im Beton kann die Heizung sieben Tage und die Warmwasserbereitung drei Tage ohne Einspeisung neuer Windenergie auskommen“, sagt er.

Kuster gilt als Pionier der Solarenergieversorgung in Österreich. Windenergie zu nutzen ist für ihn Neuland, doch im Burgenland und im Weinviertel stehe im Winter mehr überschüssige Windenergie als Sonnenenergie zur Verfügung. Kuster bedauert, dass das intelligente Konzept der Bauteilaktivierung auf dem Markt noch wenig zur CO2 freien Heizung verwendet wird. „Wenn die Speicher konsequent genutzt werden, sinken auch die Heizkosten“, verspricht er.

In der Regel seien die Wärmeerzeuger überdimensioniert und die eingespeisten Temperaturen zu hoch. Je niedriger die Temperaturen, desto effizienter sei jedoch das Heizsystem. Es ist deshalb auch extrem geeignet für große Bauten in Wien. So könnte das Fernwärmenetz entlastet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2016)

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